Aktionstag gegen antimuslimischen Rassismus

Informationen zur Veranstaltung
Am 1. Juli ist der Tag gegen antimuslimischen Rassismus. Seit 2015 finden jedes Jahr vom 24. Juni bis zum 1. Juli zum Anlass der Ermordung von Marwa El-Sherbini
Informationen zur Veranstaltung
Am 1. Juli ist der Tag gegen antimuslimischen Rassismus. Seit 2015 finden jedes Jahr vom 24. Juni bis zum 1. Juli zum Anlass der Ermordung von Marwa El-Sherbini bundesweit Aktionen im Rahmen der Aktionswoche gegen antimuslimischen Rassismus statt.*
Antimuslimischer Rassismus bei Kindern und Jugendlichen
von Iman Ouadria (Freiburg im Breisgau) 26.06.2020
Neun Jahre ist her, dass meine Zwillingsschwester und ich aufgrund unseres Aussehens aus unserer Klassengemeinschaft ausgeschlossen wurden. In der fünften Klasse lief alles noch gut: Die Klassenkameraden hatten nichts gegen unser Kopftuch, deshalb verbrachten wir gerne Zeit mit ihnen. So aßen wir gemeinsam in den Pausen und plauderten ganz viel miteinander. Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir mit unserem Kopftuch nicht zu der Klasse dazugehören könnten. Wir fühlten uns als Teil der Klasse, was wirklich ein sehr schönes Gefühl war.
Doch das änderte sich auf einmal. Plötzlich sollten wir nicht mehr mit ihnen in der Pause zusammen sein. Wir seien „störend“ und sollten lieber unsere eigenen Freunde suchen. Sie wollten uns einfach nicht mehr. Das zu hören war sehr verletzend. Wir waren jung (12, 13 Jahre alt), unsere Klassenkameraden waren genau so jung und trotzdem geschah es.
Ich hatte davor bereits die Erfahrung gemacht, dass die Kinder in der Straße, in der wir wohnten, uns manchmal anders behandelten und nicht immer gerne mit uns spielten. Das hatte mich oft verletzt und auch sehr traurig gemacht.
Aber diesmal war es anders: Diesmal sagten uns unsere Mitschüler direkt ins Gesicht, dass sie uns nicht wollten und dass wir uns lieber mit anderen Leuten umgeben sollten und nicht mit ihnen. Es war ein Schock und ein großer Schmerz, gerade weil wir so jung und naiv waren und nichts Böses wollten.
Traurigerweise blieb es nicht nur bei diesem Satz. Es ging weiter: Nun lachten uns unsere Klassenkameraden aus und bildeten ihre eigene Clique, in der sie über uns lachten, schlecht über uns sprachen und unsere Gefühle verletzten. Sie gegen uns.
Es war so eine schreckliche Zeit und sie dauerte nicht nur ein paar Wochen an, sondern ging Monate und Jahre. Natürlich weinten wir sehr viel und wussten anfangs überhaupt nicht, wie wir damit umgehen sollten und trotzdem lernten wir es mit der Zeit. Das mussten wir ja.
Darüber zu sprechen ist bis heute nicht einfach und trotzdem möchte ich diese Erfahrung teilen. Sie zeigt, dass antimuslimischer Rassismus nicht nur unter den Erwachsenen stattfindet, sondern auch unter Kindern. Kinder, die eigentlich nur Spaß haben wollen.
Antimuslimischer Rassismus befindet sich überall und ich wünsche mir eine Gesellschaft ohne ihn. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der ich mit meinem Kopftuch und meinem Glauben dazugehöre. ´
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der die Liebe immer an erster Stelle liegt.
Antimuslimischer Rassismus ist eine Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die muslimische und muslimisch gelesene Menschen rassifiziert. Durch die Rassifizierung werden sie als homogene Gruppe dargestellt, negativ sowie als andersartig markiert und von der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft abgegrenzt. Diese Art von Rassismus richtet sich sowohl gegen muslimische Menschen als auch ihre Organisationen.
Es war auch Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Form von antimuslimischem Rassismus, die, wie in anderen Fällen in diesem Zusammenhang, mit tödlicher Gewalt an Marwa El-Sherbini endete.
Marwa symbolisiert eine couragierte muslimische Frau
Marwa El-Sherbini war eine Frau ägyptischer Herkunft. Sie wurde am 1. Juli 2009 während eines Berufungsverfahrens im Landgericht Dresden durch 18 Messerstiche ermordet. Marwa war eine Nationalspielerin in der ägyptischen Handballmannschaft der Frauen und von Beruf Chemikerin. Sie war Mutter eines dreijährigen Sohnes und kam für zwei Jahre nach Deutschland. Ihren Mörder kannte sie eigentlich nicht, bis sie sich auf einem Kinderspielplatz begegneten. Er, der in seiner Umgebung mit seinen rassistischen Einstellungen bekannt war, beleidigte sie als „Islamistin“, „Terroristin“ und „Schlampe“. Marwa zeigte Zivilcourage und zeigte ihn an. Während des darauffolgenden Gerichtsprozesses wiederholte der Mörder seine Beschimpfungen, bevor er sie mit einem Messer im Gerichtssaal tötete. Der dreijährige Sohn musste nicht nur mitansehen, wie seine Mutter getötet wurde, sondern auch, wie sein Vater, der seine Frau vor den Messerstichen zu schützen versuchte, durch das Sicherheitspersonal angeschossen und schwer verletzt wurde.
Dieses Ereignis birgt mehrere Problematiken, die wir heute verbreitet diskutieren und diese Woche thematisieren.
Alltägliche Übergriffe gegen Muslime
Viele Organisationen machen zum Anlass der Aktionswoche gegen antimuslimischen Rassismus auf die alltäglichen Übergriffe gegen muslimische Frauen, Männer, Kinder und Einrichtungen aufmerksam. Dabei ist es uns wichtig zu zeigen, dass wir uns als Teil der Gesamtgesellschaft verstehen und Verantwortung übernehmen. Wir erwarten auch verantwortliches Handeln von der Politik und der Zivilgesellschaft.
Positionierung muslimischer Frauen
Als SmF-Bundesverband beteiligen wir uns mit unseren Standorten unter dem Hashtag #KeinPlatzfürHass in Sozialen Medien an dieser Aktionswoche und machen auf die Positionierung muslimischer Frauen zum Thema antimuslimischer Rassismus aufmerksam.
Dieses Jahr haben wir als SmF-Bundesverband unseren Schwerpunkt auf die Frauensolidarität gelegt. Denn wir stellen fest, dass die Zivilgesellschaft, insbesondere Frauenorganisationen, die alltägliche Diskriminierung muslimischer Frauen kaum wahrnehmen und sich selten dagegen positionieren.
Muslimische Frauen sind entgegen herrschender Vorurteile vielfältig. Sie sind nicht auf ihr Kopftuch oder ihre Kleidung zu reduzieren. Sie können Mütter, Sportlerinnen, Akademikerinnen, Hausfrauen, geflüchtete Menschen, couragierte und engagierte Menschen sein. Sie tragen ein Kopftuch oder auch nicht und sie können einen Hochschulabschluss haben oder auch nicht. Dabei machen sie einen Teil unserer Gesellschaft aus und ihre Rechte müssen wir alle gemeinsam verteidigen. Frauenorganisationen, die sich für Frauenrechte einsetzen und das Empowerment von Frauen besonders hervorheben, müssen in der Lage sein, sich mit muslimischen Frauen und Frauenorganisationen zu solidarisieren.
Zu diesem Anlass rufen wir Frauenorganisationen, die sich gegen Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stellen, dazu auf, an diesem Tag mit uns gemeinsam zu gedenken und sich unter #KeinPlatzFürHass mit muslimischen Frauen und ihren Organisationen zu solidarisieren.
(*) Der Aktionstag gegen antimuslimischen Rassismus wurde vom Rat muslimischer Studierender & Akademiker (RAMSA) ins Leben gerufen und seine Koordination dem Bündnis CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit übertragen.
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